Trister Coronaspaziergang in Moabit. Siemensstraße. Endlos-triste Fassade des Hamberger Lebensmittel-Großmarkts. Dahinter das winterlich-triste Gelände des Zentrums für Kunst und Urbanistik. Und plötzlich die Überraschung: Auf der dem Zentrum zugewandten Rückseite des Großmarkts erglühen in mächtiger Farbmagie außergewöhnliche Graffiti: Primateninvasion in Berlin, Return of the Apes.
Auf einem etwa drei Meter breiten Weg kann man die Mauer abschreiten. Hier geht es – inspiriert von den Filmserien Planet der Affen – um den Kampf zwischen Menschen und den uns so nahen Primaten. Besiegte, gefangene Menschen sind zu sehen und besiegte, gefangene Affen. Aber letztere haben sich befreit, gekämpft, sich gebildet und schließlich unsere Welt in Trümmer gelegt. Manhattens Freiheitsstatue ragt nur noch wenig aus den Wassern des Atlantik. Anders als in den Filmen ist hier auch Deutschland betroffen. Attackiert wurden das Brandenburger Tor, die Gedächtniskirche und der Berliner Fernsehturm. Dass die „Goldelse“ auf der schief stehenden Siegessäule offenbar vor dem Kampf gegen eine äffische Statuette ausgetauscht worden war, deutet darauf hin, dass es Versöhnungsversuche gegeben haben muss.

Diese 123 Meter lange Graffitiwand zeichnet sich durch besondere künstlerische Geschlossenheit aus, weil sie keine isolierten Episoden, sondern eine komplexe Geschichte erzählt. Es lässt sich viel hineininterpretieren in diese Wand. Aktuell drängt sich der Konflikt zwischen Mensch und Natur auf, der in der Corona-Krise deutlich sichtbar geworden ist.
Der Mensch hat die Lebensräume der Tiere immer dreister kolonisiert und im Gegenzug dringen in unser urbanes Leben auch Tiere vor, die es – anders als Ratten oder Mäuse – früher eher mieden: Füchse, Wildschweine, Eichhörnchen – um nur die Vorhut in unseren Breiten zu nennen. In vielen asiatischen Städten sind Affen bereits zu Mitbürgern geworden. Krokodile statten Städten in Florida Besuche ab.

Die Schöpfer von der multikulturelle Künstlergruppe, die sich 21er Gallery nennt, traf ich noch in Aktion. Hier und da wurde an der Wand noch Feinarbeit geleistet. Ein Affe war nur als Skizze erkennbar. An dem Eisenöfchen, an dem sich die Künstler ab und zu die Hände wärmten, kam ich mit ihnen ins Gespräch.

Mich interessierte vor allem, wie sie ihr monumentales Werk schützen wollten. Sorgten sie sich nicht, dass eifersüchtige Dilettanten irgendeinen Mist darüber sprayen? Die Antwort ist souverän: „In einem halben Jahr machen wir selber hier ein neues Graffiti.“
Ich hätte es wissen müssen: Freiluftkunst ist nicht für die Ewigkeit gedacht. Aber in diesem Fall bedaure ich das.
Mir fällt auf, dass die gefangenen Menschen auf der Wand unverletzt sind und gesund aussehen. Vielleicht gibt es doch noch Aussicht auf Versöhnung?