Die Studie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ ist das erste Ergebnis des langfristigen Forschungsprojekt #frauenzählen. Der VS gehört zu den Mitinitiatoren. Mit dieser und weiteren Studien möchte das Projekt umfassende Datenreports zur Sichtbarkeit von Autorinnen in der Literaturkritik, bei der Vergabe von Literaturpreisen, in Verlagsprogrammen, in schulischen Lehrmaterialien, in Jurys oder bei der Stipendienvergabe liefern. Die nun vorliegende Pilotstudie ist in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock entstanden.
Erste Ergebnisse wurden im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Datengrundlage bildeten 2036 Rezensionen und Literaturkritiken aus 69 deutschen Medienformaten (Print, Hörfunk, TV), die im März 2018 von Freiwilligen codiert, statistisch ausgewertet und analysiert wurden. Im Fokus standen Fragen wie:
Lassen sich Unterschiede in der medialen Präsenz, in der Häufigkeit und im Umfang der Besprechungen von Autorinnen im Vergleich zu Autoren ausmachen? Existieren spezifische Merkmale, die auf das Geschlecht der Rezensierenden zurückzuführen sind? Welche Genres werden in welchem Umfang vom wem besprochen?
Lassen sich darin wiederum Signifikanzen in der Geschlechtsverteilung hinsichtlich der besprochene Autor_innen und bei den Kritiker_innen feststellen?
Die Auswertung zeigt, dass die Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb in deutlicher Weise hinter der von Männern rangiert. Hauptergebnisse in Kürze:
Auf zwei Männer kommt eine Frau.
In allen Medien, mit Ausnahme von Frauenzeitschriften, werden männliche Autoren häufiger und ausführlicher besprochen: Zwei Drittel der besprochenen Bücher sind von Männern verfasst worden. Dass Verhältnis von „2 zu 1“ trifft auf alle Mediengattungen zu.
Männer schreiben mehr über Männer.
Die Kritiken werden überwiegend, im Verhältnis 4 zu 3, von Männern verfasst. Männer besprechen darüber hinaus vor allem Männer: Drei Viertel aller von Männern besprochenen Werke sind von Autoren verfasst worden. Frauen dagegen besprechen Autorinnen und Autoren tendenziell in eher ähnlicher Häufigkeit.
Sachbuch und Krimigenre: Fünf zu Eins.
Die überproportionale Aufmerksamkeit, die Autoren durch Kritiker erfahren, besteht in nahezu allen Literaturgenres: Im Bereich Sachbuch ist lediglich jedes fünfte durch einen Mann rezensierte Buch von einer Autorin verfasst. In der Kriminalliteratur ist der Unterschied am größten: Nicht nur, dass mit 76 Prozent mehr Autoren als Autorinnen vorgestellt werden; es rezensierten zudem 82 Prozent Männer am liebsten Männer in diesem Genre.
Männer sind sichtbarer – nur im Radio sind Frauen unüberhörbar.
Für den TV-Bereich lässt sich eine eklatant größere Sichtbarkeit von Autoren feststellen: Während die Werke von Frauen im Durchschnitt 580 Sekunden lang besprochen wurden, betrug die Länge bei Autoren 931 Sekunden. Im Radiobereich dagegen wurden Autorinnen zwar seltener, aber dafür etwas länger besprochen.
Fazit der Analysten: Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb: Zwei Drittel aller Rezensionen würdigen die Werke von Autoren, Männer schreiben weit überwiegend über Männer und ihnen steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung. Einzig das Kinder- und Jugendbuchgenre erscheint als ausgeglichenes Genre; die als intellektuell oder „maskulin“ empfundenen Genres wie Sachbuch und Kriminalliteratur werden von Autoren wie Kritikern vereinnahmt.
Die Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ dient als Grundlage für tiefer gehende Gender-Untersuchungen der Literaturlandschaft. So sollen die Ergebnisse im Rahmen einer Vollerhebung über einen längeren Analysezeitraum repräsentativ vertieft werden.
Das Langzeitprojekt #frauenzählen wird von der AG DIVERSITÄT konzipiert und realisiert. In der AG arbeiten ehrenamtlich forschende Kulturschaffende mit. Als Verbände sind vertreten: PEN-Zentrum Deutschland, Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in ver.di, BücherFrauen e.V., Mörderische Schwestern e.V., Das Syndikat – Autorengruppe Kriminalliteratur sowie Netzwerk Autorenrechte.